Yamaha Tracer 700 im Top-Test |MOTORRADonline.de

2022-09-09 21:24:57 By : Mr. Denny Wood

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Erntevorbereitung bei Yamaha: Der wuselige Marktliebling MT-07 soll mit einer Schippe Langstreckentauglichkeit als Yamaha Tracer 700 zum ultimativen Einstiegs-Allrounder reifen. Ähre, wem Ähre gebührt? Der Top-Test trennt die Spreu vom Weizen.

Abenteuertraktoren mit Stoßrichtung sechs Zentner, 200-PS-Granaten, bis unter den Tankdeckel voll mit Regelelektronik, und retro, retro, retro – dies sind derzeit die Themen, um die sich die Motorradwelt dreht. Was aber ist mit der (unteren) Mitte? Was ist mit Brot-und-Butter-Maschinen, unkomplizierten, einfachen Bikes von echtem Schrot und Korn? Mag sein, dass die Gunst der öffentlichen Wahrnehmung Motorrädern anderen Kalibers gebührt. Aber gekauft und gefahren, in der Realität draußen auf der Straße, werden weiterhin überwiegend die Mittelklässler, wie die Zulassungsstatistik belegt. Und das aus gutem Grund.

Genau hier hat Yamaha seit einiger Zeit die dicksten Kartoffeln im Acker. MT-09 und MT-07 gehen bekanntermaßen wie Pilsbier zum Erntefest. Die kleine 07er logierte über Monate firm auf Platz zwei der Hitliste, wo davor lange die 09er weilte. Und deren Tourensport-Ableger, die Tracer 900, fährt inzwischen auch öfter aus den Schauräumen als die nackte Schwester. Glasklar also, dass Yamaha das Feld komplett bestellt und nun auch der MT-07 eine halbverschalte Tourensport­variante zur Seite stellt. Das Kind hört auf den Namen Yamaha Tracer 700, hat mit 200 PS, Regelelektronik und retro nicht das Geringste am Hut und dennoch das Zeug, für richtig Wirbel zu sorgen.

Denn in den Augen vieler ist die 07 die ausgewogenste MT und die Tracer die bessere 09. Und so schickt sich die Yamaha Tracer 700 an, die beste, rundeste MT von allen zu werden und als schmucker Einstiegs-Allrounder den Markt aufzurollen. An mangelnder Attraktivität sollte es jedenfalls nicht liegen, denn so wie bei der Tracer 900 haben die Yamaha-Designer auch bei Tracy 700 ein glückliches Händchen bewiesen.

Die Kleine zeigt deutliche Familienzugehörigkeit zur ohne Frage eleganten großen Stallschwester. Wo deren schnittige Kanten den schneidigen Charakter des tollen Dreizylinders ­widerspiegeln, rundet die Tracer 700 diese Linien etwas und gibt damit einen Hinweis auf den gefälligeren, umgänglicheren Charakter ihres Crossplane-Twins. Ehrliche technische Ästhetik könnte man das nennen. Oder etwas gehässig: Zwischen den anderen günstigen Allroundern wirkt die Yamaha Tracer 700 wie ein Fuchs im Gänsestall.

Einmal mehr greifen die Ingenieure auf das Baukasten- und Gleichteileprinzip zurück, um dem Einfach-Naked MT-07 Langstreckentauglichkeit angedeihen zu lassen. Rahmen (leicht modifiziert), Motor (baugleich, aber mit Euro 4), Fahrwerk, die wesentlichen Bestandteile sind im Kern MT-07. Mehr Rahmenheck und Schwinge (plus 50 Millimeter, Alu statt Stahl) sorgen für mehr Platz, mehr Tank (17 statt 14 Liter) bedeutet eine größere Reichweite, und der verstellbare Windschild soll ermöglichen, diese auch am Stück auszukosten. Die Sitzprobe auf der Yamaha Tracer 700 offenbart schon einmal, dass die Änderungen der Ergonomie sehr zuträglich sind.

Höher sitzt man, auf 830 Millimetern (statt 810), die dank schön schmaler Taille aber noch als moderat durchgehen. Viel höher und um einiges näher am Piloten fällt die zur MT-07 breitere, aber im Klassenvergleich eher schmale Lenkstange der Yamaha Tracer 700 beinahe von selbst in die Hand. Zentraler geriet die Sitzposition, weniger über dem Hinterrad als bei der nackten Schwester. Für den an guten Tagen 1,73 Meter messenden Autor verdient die aufrecht bequeme Ergonomie auch dank angenehm offenem Kniewinkel jedenfalls das Prädikat „nahezu ideal“. Auch umfänglicher dimensionierte Fahrer bestätigen voll ausreichende Platzverhältnisse.

So weit, so gut, dreschen wir los. Der Anlasser rastet, der Zweizylinder der Yamaha Tracer 700 pulsiert sofort dezent, die Kupplung schleift kurz, und mit der ersten Radumdrehung ist das schöne MT-07-Wohlgefühl präsent, welches in erster Linie vom cremigen 689-Kubik-Crossplane-Twin herrührt. „Er lässt sich schaltfaul fahren, hängt wunderbar sanft am Gas, reagiert perfekt auf Gasbefehle und dreht bei Bedarf auch furios bis in ­höhere Drehzahlen. Wäre dieser Twin ein Mensch, so würde man sagen: Er ist stets relaxt, wirkt niemals gestresst und ist äußerst belastbar und leistungsstark."

So war es Anfang 2014 beim Top-Test der MT-07 zu lesen, und so kann das unverändert für die Tracer 700 stehen bleiben. Zwar fehlen zur noch nach Euro 3 homologierten Schwester in der Mitte ein, zwei PS und Newtonmeter, und das Aggregat wuppt in der (mit 196 Kilo immer noch vergleichsweise leichtgewichtigen) Tracer zwölf Extrakilos. Trotzdem muss man festhalten: Diese 75 PS motorisieren bemerkenswert sou­verän. Auch mit Euro 4-Update bleibt der Crossplane-Twin die Referenz der Klasse und ein Grinsemacher. Die Kupplung der Yamaha Tracer 700 geht leichtgängig, das Getriebe schaltet solide.

Solch hohes Lob allerdings konnte das Fahrwerk der MT-07 nie einheimsen. Die fährt zwar wunderbar handlich und agil, „fahrrädrig“, wenn man so will, aber mit weicher Federung und besonders hinten deutlich unterdämpft, in schnelleren Kurven eher gautschig. Gut und wichtig, dass Yamaha mit den Fahrwerksmodifikationen gerade hier eine deutliche Verbesserung erzielt hat. Die Verlängerung der Schwinge und dementsprechend des Radstandes um 50 Millimeter bringt vom Fleck weg viel Ruhe. Länge läuft, Sie wissen schon. Eine geänderte Umlenkung mit mehr Progression nebst angepasster Federrate lässt das Heck der Yamaha Tracer 700 höher stehen und sorgt so für deutlich gesteigerte Reserven.

Wo die MT-07 tief einsackt, mit Sozius gar richtig in den Seilen hängt und dann torkelt wie der Knecht nach zu viel schwarz gebranntem Stoff, steht die Yamaha Tracer 700 auch beladen noch schön mittig im Federweg. Addiert man dazu eine besonders in der Zugstufe deutlich sattere Dämpfung und eine homogenere Fahrzeugbalance, bügelt die Tracer die MT-07 in puncto Fahrverhalten umfassend. Viel weniger Pumpen und Schaukeln, mehr Fahrstabilität, Zielgenauigkeit und Gelassenheit, letztlich Gaudi. Allerdings: Auch wenn aufgrund der geänderten Balance die vordere Gabel subjektiv etwas weicher (und gleichsam unterdämpft) agiert, ist die knackige Hinterhand dem Komfort nicht unbedingt zuträglich. Schnelle Stöße werden nicht ganz sauber abgearbeitet. Und zumindest eine Einstellmöglichkeit der Zugstufe hinten wäre wünschenswert.

Abgesehen von der hinteren Vorspannung lässt das Fahrwerk im Gegensatz zur ebenfalls günstigen Konkurrenz jedwede Anpassungsmöglichkeit vermissen. Eines der ganz wenigen offensichtlichen Zugeständnisse ans Diktat des Rotstifts. Davon abgesehen aber verschleiert die Yamaha Tracer 700 den Kostendruck sehr gekonnt. Alle Oberflächen (höchstens mit Ausnahme des unlackierten Kühlers) wirken ansprechend, die Verarbeitung ist picobello, die Ausstattung ordentlich. Also mehr Ähr als Geiz, hier gibt es richtig Motorrad fürs Geld. Die Vorteile des Baukastens bzw. der Gleichteilestrategie werden besonders offensichtlich bei der Bremse.

Vorne werkeln die gleichen Vierkolben-Festsättel, wie sie früher in der YZF-R1 zu finden waren, und die verzögern auch an 282-Millimeter-Scheiben wunderbar. Knackigster Druckpunkt, saugend-leckende Dosierbarkeit, kräftiger Biss – so baut man eine gute Mittelklasse-Bremse. Allerdings trübt das rustikale Yamaha-ABS deutlich die Vorstellung der Stopper. Ruppig erfolgt der Regeleingriff, mit hartem Pulsieren im Hebel. Unter gleichbleibenden Bedingungen produziert das System bei der ersten Bremsung mal einen hohen Stoppie, der je nach Fahrerstatur und Beladungszustand den Überschlag befürchten lässt, um beim nächsten Versuch mit langem Öffnen der Bremse zu irritieren. Vielleicht der messbarste Wermutstropfen der Yamaha Tracer 700.

Was ansonsten aufgefallen ist, ergibt sich vorrangig aus dem Konzept der Tracer als recht sportlich positioniertem Kompakt-Allrounder und ist damit weniger als Kritik, sondern eher als Tatsachenbeschreibung der speziellen Fahrzeugausrichtung zu verstehen. Beispielsweise übertrifft der Windschutz der eher filigranen Scheibe den nicht vorhandenen der MT-07 natürlich um Welten, das Konkurrenzfeld allerdings will und kann da mit größeren Scheiben mehr. Für fixe Autobahnetappen reicht es aber trotzdem, auch wenn die Verstellmöglichkeit eher Kosmetik ist und die Abrisskante laute Verwirbelungen erzeugt. Nach dem gleichen Prinzip ist der Soziuskomfort einzuschätzen: viel, viel mehr als bei MT-07 und somit unbedingt tagesausflugstauglich, aber nicht auf dem Niveau etwa einer V-Strom 650. Am ehesten bezahlt die Yamaha Tracer 700 ihre schlanke Bauweise jedoch bei der Zuladung. 171 Kilo sind schlicht viel zu wenig. Also Obacht, wenn der Wachtmeister mal wieder die Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts kontrolliert. Boden gut macht die kleine Tracer schließlich an der Zapfsäule. Dank des um drei auf 17 Liter gewachsenen Kraftstoffvorrats und einem knausrigen Landstraßenverbrauch von 3,7 Litern beträgt die theoretische Reichweite üppige 459 Kilometer. Das ist auf und über Reiseenduro-Niveau.

Man kann die Tracer 700 wahlweise als tourentauglichen Kompaktflitzer betrachten oder als sehr sportlichen Leicht-Allrounder. So oder so wird sie mächtig Wind säen in der zwar kompetenten, aber bislang eher dröge wirkenden unteren Mittelklasse. Wie schon bei der Dreizylinder-09 gilt auch hier uneingeschränkt: Die Tracer ist die bessere MT. Und weil die 07 in der Tat die beste mittlere MT ist, darf die Yamaha Tracer 700 zum günstigen Kurs tatsächlich als kompletteste, rundeste aller MTs gelten. Wird Yamaha damit die Ernte einfahren? Ährwartbar. Gibt’s im nächsten Heft den Vergleichstest? Ährensache!

Einmal mehr lautet die Devise: „Der Baukasten macht’s möglich.“ Mit vergleichsweise überschaubaren Änderungen wird aus der minimalistischen MT-07 die Tourenvariante Tracer 700. Weit mehr als eine Halbschale war dennoch nötig.

Das Prinzip ist nicht neu. Schon lange verwenden Hersteller, um Kosten zu reduzieren bzw. den Mehrwert für den Kunden zu steigern, bei der Verwandlung vom Naked zum Allrounder (oder umgekehrt) möglichst viele Gleichteile. Räder, Rahmen (leicht modifiziert), Motor (mit Euro 4-Update), Bremsen – alles nahezu eins zu eins übernommen.

Das Schaubild offenbart allerdings eine gewichtige Änderung: Die um 50 Millimeter verlängerte Schwinge lässt den Radstand der Yamaha Tracer 700 entsprechend wachsen. Das bringt Ruhe ins Fahrwerk und ist in Verbindung mit dem geänderten Federbein dem Fahrverhalten enorm zuträglich. Der Rest ist simpel: mehr Verkleidung und Windschild, höherer Lenker, mehr Tank, längere Sitzbank (weiter vorne!). Das schafft Tourenkompetenz und viel Nutzwert.

Plus: Ölstandskontrolle - Das Überprüfen von Menge und Zustand des Motorschmiermittels gelingt dank des praktischen Schauglases auf einen Blick. Plus: Erstbereifung - gerade bei günstigen Motorrädern immer wieder Grund zum Ärgernis. Die Yamaha Tracer 700 glänzt hier mit dem sehr gutmütigen Michelin Pilot Road 4. Eine ideale Wahl. Minus: Sturzteil - Den Pseudo-Handschützern fehlt es an Stabilität, sie halten bestenfalls den Fahrwind ab. Mehr als fraglich, ob sie einen Umfaller überleben. Minus: Bordcomputer - Das Cockpit ist zwar übersichtlich und informativ, liegt aber weit weg und lässt sich während der Fahrt nur sehr schwer bedienen.

Mehr Motorrad braucht kein Mensch – nur so kann das Fazit über die Yamaha Tracer 700 lauten. Für rund 8000 Euro fällt uns auch nach langem Grübeln kein Motorrad ein, das Alltags- und Langstreckentauglichkeit mit so viel frischer Sportlichkeit serviert und dabei noch so unverschämt gefällig ausschaut. Der Motor ist eine Sahneschnitte über die Klasse hinaus, und dank intelligenter Änderungen passt nun auch das Umfeld.

Damit der Preis nicht vom Erwerb dieses erstklassigen Motorrads abhält, sollte man einen Blick auf die Gebraucht-Motorradbörse werfen. Dort gibt es die Yamaha Tracer 700 in top Zustand zu günstigen Preisen: Gebrauchte Yamaha Tracer 700 in Deutschland

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